Der gesellschaftliche Druck zwang die Homosexuellen, ein Doppelleben zu führen und ihre sozialen und sexuellen Kontakte außerhalb ihrer Wohnungen zu suchen. Durch die strikte Trennung der sexuellen Bedürfnisse vom privaten Lebensumfeld bildeten sich im halböffentlichen Bereich der Gesellschaft »Orte anonymer Lust«. Das Zentrum dieser Treffpunkte bildeten der Hauptbahnhof und das Pissoir an der Trankgasse nahe dem an der Hohenzollernbrücke gelegenen Strich. Die Nutzung der Bedürfnisanstalten für Sexualkontakte war der Kriminalpolizei durch regelmäßig durchgeführte Sonderstreifen bekannt. Festnahmen erfolgten, wenn Männer auf frischer Tat ertappt wurden oder wenn ein dringender Tatverdacht bestand. Eine gängige Methode, Homosexuelle zu verhaften, war der Einsatz von Lockvögeln. Zu diesem Zweck wurden Strichjungen zur Kooperation gezwungen. Sie wurden in ein Pissoir geschickt, wo sie sich so lange aufhielten, bis sich ein potentieller Sexualpartner für sie interessierte. Gleich nach dem gemeinsamen Verlassen des Pissoirs gaben die Lockvögel den wartenden Polizeibeamten ein vorher verabredetes Zeichen, indem sie beispielsweise den kontaktierten Mann um Feuer baten.
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